Gender und Rechtsprechung- Kluft zwischen Recht und Realität

Im Engagement von Frauen-Rechtsorganisationen, Juristinnen-Verbänden und politischen AktivistInnen in Afrika stellt der gleichberechtigte Zugang beider Geschlechter zu Land- und Erbrechten und die damit einhergehende wirtschaftliche Sicherheit eine der zentralen Forderungen dar. In der Tat haben viele der afrikanischen Regierungen die internationalen Abkommen zur Umsetzung der Geschlechtergleichheit verbindlich anerkannt und die Umsetzung der im Jahr 2000 formulierten Millenniumsziele zur Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter befürwortet, die eine Überwindung der Benachteiligung von Frauen und Mädchen bei Bildung, Berufschancen und Einkommen, Gesundheit und Ernährung bis zum Jahr 2015 fordern. Für die afrikanischen Länder südlich der Sahara bedeutet dies im Speziellen, Frauen an allen Gemeinschaftsaktivitäten teilhaben zu lassen, ihnen Zugang zu Landwirtschaftskrediten und –anleihen, Vermarktungsmöglichkeiten, Technologie sowie eine Gleichbehandlung bei Land- und Agrarreformen und Wiederansiedlungsprogrammen zu gewährleisten.

(Quelle: http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/ziele/hintergrund/ziele/millenniumsziele/index.html#t1)

Dennoch ist die (rechtliche) Realität und Rechtsprechung vielerorts durch ein plurales Rechtssystem geprägt. Als ein „Überbleibsel“ aus Kolonialzeiten hat in der rechtlichen Praxis vieler ländlicher Gebiete ein so genanntes „customary law“ überdauert, das vor allem in Streitfragen um Erb- und Eherecht längst nicht immer der staatlichen Gesetzesgrundlage und Verfassung entspricht (z.B. Simbabwe, Nigeria, Kenia, Uganda). Die Rechtsprechung unterliegt hierbei der Autorität sogenannter „Chiefs“ oder anderer lokaler Autoritäten und untermauert in vielen Fällen Geschlechterhierarchien und soziale Differenzen. Vor allem im Erbrecht werden lokale Traditionen häufig selektiv zu Gunsten der Männer interpretiert.
Dieses Nebeneinander von staatlichem Recht und „customary law“ beeinträchtigt die Handlungsmöglichkeiten von Frauen massiv, zumal verheiratete Frauen in manchen Ländern faktisch nicht als vollwertige Rechtspersonen gelten. In der Stadt fehlt es den weiblichen Arbeitskräften dementsprechend an angemessenen Rechtsgrundlagen, um als Unternehmerinnen selbstständig zu arbeiten. Die wenig einheitlichen bis unklaren rechtlichen Voraussetzungen begrenzen die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit für Frauen erheblich.

Organisationen wie Women and Law in Southern Africa  (WSLA) oder Women in Law and Developement in Africa (WiLDAF) engagieren sich sowohl in nationalen Zusammenschlüssen als mittlerweile auch in regional- bis kontinentübergreifenden Vernetzungen für Rechtsreformen u.a. im Erb- und Unterhaltsrecht sowie im Ehe- und Familienrecht. Das Hauptinteresse gilt einer Etablierung der Frauenrechte in der gesellschaftlichen Realität sowie einem verbesserten Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Aufgrund einer Verpflichtung des BMZ auf der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995, zur Förderung der rechts- und sozialpolitischen Beratung für Frauen, unterstützt die GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) Frauenrechtsorganisationen in mehreren afrikanischen Ländern mit dem Gesamtziel, Frauenrechtsorganisationen zu stärken und für die Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen zur Durchsetzung der Frauen- und Menschenrechte einzutreten.

(Quelle: http://www.giz.de/de/html/weltweit.html)

In den afrikanischen Ländern selber ist ebenfalls einiges passiert. So hat die Staatengemeinschaft im südlichen Afrika (Southern African Developement Community) das „SADC Gender and Development Protocol“ verabschiedet, in dem sich die anwesenden Staaten der großen internationalen Konferenzen in Accra und Doha im Jahr 2008 verpflichteten, in Zukunft noch gezielter und systematischer auf eine Gleichstellung der Geschlechter hinzuwirken.
(Quelle: http://www.fes.de/in_afrika/af_projektbeispielgenderSADC.htm)