Kolonialismus in Afrika


Kolonialismus
bezeichnet die strategisch geplante Inbesitznahme und Kontrolle auswärtiger Gebiete sowie die Unterwerfung der ortsansässigen Bevölkerung insbesondere während des Imperialismus europäischer Großmächte im 19. Jahrhundert. Motiv für die häufig sehr gewaltsame koloniale Expansion war unter anderem die Stärkung der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Macht der Kolonisatoren, die gegeneinander konkurrierten. (vgl. Detsch)


Anfänge des Kolonialismus

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts drängten nur einzelne europäische Staaten danach,  sich Land auf dem afrikanischen Kontinent anzueignen.  Lediglich die Portugiesen besaßen bereits im 15. Jahrhundert an der mosambikanischen Küste Stützpunkte und Nachschublager für den Handel mit Asien. Auch die niederländische Vereinigte Ostindische Kompanie (VOC) unterhielt seit 1652 Kapstadt in Südafrika als Umschlagplatz auf dem Weg zu den lukrativen Gewürzinseln im Indischen Ozean. Von dort brachte sie Sklavinnen und Sklaven ans Kap der Guten Hoffnung. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert profitierten Händler aus Frankreich, Portugal, Großbritannien und Deutschland ebenfalls vom so genannten „Dreieckshandel“: dem günstigen Kauf von Sklaven/-innen aus West- und Zentralafrika, die gewinnbringend in Amerika verkauft wurden. Dort erwarben die großen Handelsgesellschaften Rum, den sie in Europa als Tauschmittel für Waffen nutzten. Die Gewehre exportierten sie anschließend nach Afrika. Meistens wurden Jugendliche und ganz junge Frauen und Männer versklavt; ähnlich wie Gewürze und andere Güter wurden sie  sogar in Tonnen gelistet.
(vgl. u.a. Schadomsky, 2010; van Dijk, 2005)

Nach den oftmals kriegerischen Eroberungen folgte der politische Druck der europäischen Kolonialmächte, durch den die traditionellen Gesellschafts- und Staatsgefüge meist vollständig  zerstört wurden. Händler strebten nach mehr und mehr Gewinnen. Siedler und Farmer raubten in Ländern wie dem heutigen Namibia, Südafrika, Simbabwe und Mosambik oft gewaltsam das Land der Einheimischen. Medizinische Fortschritte in der Bekämpfung tropischer Krankheiten erleichterten die Auswanderung europäischer Siedler/-innen Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie erweiterten ihren Einfluss und „Besitz“ durch dubiose Abmachungen mit Oberhäuptern afrikanischer Bevölkerungsgruppen und durch unrechtmäßige Landnahme. Führende imperiale Mächte waren Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Portugal und Belgien. (vgl. van Dijk, 2005)



Bildquelle: Wikimedia-Commons/ Bundesarchiv Bild 105-DOA0958, Deutsch-Ostafrika, Sisalernte.jpg



Kongo-Konferenz (15.11.1884 – 26.02.1885)

Unter den Kolonialmächten Europas setzte ein regelrechter „Wettlauf um Afrika“ ein. Um das Konfliktpotenzial zwischen den europäischen Herrschern zu verringern und die Expansion einzelner Staaten auf dem afrikanischen Kontinent zu „ordnen“, berief Reichskanzler Otto von Bismarck im Jahr 1884 die Berliner Kongo-Konferenz ein. Ausschließlich Vertreter damaliger westeuropäischer Großmächte waren eingeladen. Auf dieser Konferenz  legten die Kolonisatoren  die Kontrollbereiche der einzelnen europäischen Länder und die Grenzen zwischen den Kolonien völlig willkürlich fest, Grenzen wie mit dem Lineal gezogen. Sie nahmen keine Rücksicht auf ethnische Zugehörigkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und kulturelle Verbindungen.


Deutsche Kolonien

Reichskanzler Otto von Bismarck hatte zunächst kaum Interesse an Kolonien gezeigt; zum einen aus finanziellen aber auch aus außenpolitischen Gründen, da er mögliche Konflikte des jungen deutschen Staates mit beispielsweise Frankreich und England vermeiden wollte. Ab 1884 unterstützte er jedoch die deutsche Kolonialbewegung und änderte seine Meinung, womöglich  wegen des starken Drucks der Händler, die ihre Stützpunkte in afrikanischen Ländern vor europäischen Konkurrenten schützen wollten und um sich durch dieses Zugeständnis einen Wahlerfolg bei den bevorstehenden Reichstagswahlen zu sichern. Folglich erklärten deutsche Gouverneure und Reichsbeamte afrikanische Länder zu „Schutzgebieten“, eine euphemistische Bezeichnung für die Inbesitznahme unter deutscher Führung. Anfänglich haben einige afrikanische Vertreter die Eroberer begrüßt und angenommen, um den Frieden zu wahren oder auch als Mittel der Machtbehauptung gegenüber verfeindeten Ethnien. (vgl. Hilt, 2014; Mair, 2005; van Dijk, 2005)
Bildquelle: Wikimedia-Commons/ Bundesarchiv Bild 105-DOA0381, Deutsch-Ostafrika, Pressen des Sisals in Ballen.jpg

Zu den deutschen Kolonien in Afrika gehörten Togoland (heute Teile Ghanas und Togos), Kamerun, Deutsch-Südwestafrika (heute größtenteils Namibia) und Deutsch-Ostafrika (heute größtenteils Tansania ohne Sansibar, Burundi und Ruanda). Die Kolonien in Togo und Kamerun dienten hauptsächlich als Plantagen- und Handelskolonien. Die Haupthandelsgüter waren Kaffee, Kakao, Palm- und Kokosnussprodukte. Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika hingegen sollten Siedlerkolonien werden. Doch der Erfolg blieb aus. Ein großer Teil der deutschen Auswanderer dieser Zeit wanderten vornehmlich in die USA statt in die Kolonien aus. Einzig die Kolonie Togo konnte einen kleinen Gewinn erwirtschaften. (vgl. Hilt, 2014)                        
                                                                                                                

Widerstand afrikanischer Ethnien

Die afrikanische Bevölkerung musste systematische Erniedrigung, schwerste Zwangsarbeit, wiederholte Auspeitschungen, hohe Steuerlasten und willkürliche Landenteignungen durch die europäischen Kolonialherren erleiden und begehrte auf. Aufstände wurden jedoch blutig niedergeschlagen. Dabei setzten die europäischen Kriegsherren ihre neuen Waffen, Maschinengewehre ein. Zu den Kolonialkriegen zählte die Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstand 1905-1907 im heutigen Tansania. Dort hatte der rassistische Gouverneur Carl Peters die Bevölkerung jahrelang sadistisch gedemütigt. Viele Morde, willkürliche Erschießungen und Gewalt an jungen Frauen und Männern gingen auf sein Konto.

Nahezu zeitgleich  stellte der Völkermord an den Herero, Nama, Damara und Khoi/San in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, ein besonders brutales Beispiel der Niederschlagung  von Widerstand in der deutschen Kolonialgeschichte dar. Zwischen 1904 und 1907 waren bis zu 80 Prozent der Herero in den Gefechten getötet worden oder waren nach ihrer    Vertreibung in die wasserlose Omaheke Steppe verdurstet. 1907 war der Aufstand offiziell beendet, von rund 80.000 Herero hatten höchstens 15.000 überlebt.  Deutsche Militärs sperrten sie in Konzentrationslager, wo sie Zwangsarbeit verrichten mussten; Herero-Frauen und -Mädchen wurden zur Prostitution gezwungen. Einige deutsche Missionare prangerten diese schweren Menschenrechtsverbrechen an, andere schwiegen darüber und stellten sich auf die Seite der deutschen Siedler und Militärs. (vgl. van Dijk, 2005; Schürmann, Felix: Deutscher Kolonialismus)


Langsamer Zerfall der Kolonien

Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg trat das Deutsche Reich gemäß des Friedenvertrages von Versailles im Jahre 1919 alle Kolonien ab, was kontrovers diskutiert wurde: Befürworter unterstrichen die wirtschaftliche Entlastung der teuren Kolonien. Gegner hingegen betrachteten  die Gebietsverluste als nationale Schmach. Aus Sicht vieler Afrikaner in den Kolonien verschlimmerten sich die Lebensumstände vor Ort in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre wurden afrikanische Bauern stärker besteuert. Darüber hinaus wurden vermehrt Rohstoffe wie zum Beispiel Mineralien, Erdöl und Agrarprodukte abgebaut und nach Europa exportiert. (vgl. Mair, 2005; van Dijk, 2005)

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden Selbstbestimmungs- und Befreiungsbewegungen in den afrikanischen Kolonien. Der Prozess der Entkolonialisierung begann, obwohl es zuvor schon einzelne unabhängige Staaten auf dem afrikanischen Kontinent gab. So erhielt Liberia bereits 1847 die Unabhängigkeit. Als erster Staat nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Libyen 1951 unabhängig. Der Höhepunkt der Befreiung vom Kolonialismus war die Unabhängigkeit von 18 Kolonien im Jahr 1960. Als letztes Land wurde Namibia 1990 unabhängig und in Südafrika fanden 1994 die ersten freien und demokratischen Wahlen statt. (vgl. Aufmkolk, 2014; Auswärtiges Amt, 2015; Harjes, 2010; Schadomsky, 2010; van Dijk, 2005)


Folgen des Kolonialismus

Der Kolonialismus hatte große Auswirkungen auf die Entwicklungen nachkolonialer afrikanischer Staaten. So hat die willkürliche Teilung in Herrschaftsgebiete Staaten geformt, die große interne ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Unterschiede bewältigen mussten. Dies führte häufig zu Konflikten zwischen Ethnien, etwa in Nigeria und Uganda. Dort vernachlässigten koloniale und nachkoloniale Regierungen trockene und abgelegene Gebiete über Jahrzehnte. Die Schulbildung und Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen war hier deutlich schlechter.

Die aufgezwungenen Verwaltungen und Behörden der Kolonialmächte hatten traditionelle und funktionierende Gruppenstrukturen gesprengt. Überhöhte Abgabenlasten und Landraub hatten afrikanische Bauern verarmt. Das führte zu Wanderarbeit und Landflucht. Militärische Gewalt, diskriminierende und rassistische Gesetze der Kolonialherren hatten etablierte afrikanische Formen der Rechtsprechung entwertet und beseitigt. (vgl. Mair, 2005)

Darüber hinaus betrieb die Kolonialpolitik den Bau von Infrastruktur für extraktiven und ausbeuterischen Rohstoffabbau. Straßen und Eisenbahnen, Bahnhöfe und Häfen dienten ausschließlich dem Export. Weder der Binnenhandel wurde gefördert  noch eine Industrialisierung angestrebt. Bis heute beschränken die zur Zeit des Kolonialismus etablierten Strukturen die Wirtschaft vieler afrikanischer Staaten auf ihre Rolle als Rohstofflieferant. Der starke Fokus auf den Export von Mineralien, Erzen, fossilen Rohstoffen und zahlreichen landwirtschaftlichen Produkten ist in der Regel problematisch, da Rohstoffpreise stärkeren Schwankungen unterliegen als die Preise von Industriegütern und darüber hinaus an den Börsen der Industrieländer ermittelt werden. Die hohe Abhängigkeit von einer geringen Zahl an Exportgütern wie zum Beispiel Coltan für Handys und Spielkonsolen im Kongo, erschwert die nachhaltige Entwicklung afrikanischer Staaten. (vgl. Mair, 2005)

Viele koloniale Einstellungen leben bis heute – häufig indirekt und versteckt - in den Köpfen der Einwohner ehemaliger Kolonialmächte weiter. Auf der anderen Seite benutzen afrikanische Despoten und Eliten das koloniale Erbe als Vorwand für die elenden Lebensbedingungen ihrer Bürgerinnen und Bürger, die auch durch Machtmissbrauch und Kleptokratie insbesondere auf Kosten der jungen Bevölkerung entstanden sind. Die Herausforderung besteht darin, die deutsche koloniale Vergangenheit kritisch zu betrachten, nachkoloniale Fehlentwicklungen zu benennen und Menschen in Afrika auf Augenhöhe zu begegnen.

Quellen:

Aufmkolk, Tobias (31.01.2014): „Europas Kolonien“ http://www.planet-wissen.de/wissen_interaktiv/html-versionen/europas_kolonien/index.jsp

Auswärtiges Amt (Januar 2015): „Libyen“ unter http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Libyen_node.html (abgerufen am 15.06.2015)

Bundeszentrale für politische Bildung (10.01.2014): „Januar 1904: Herero-Aufstand in Deutsch-Südwestafrika“, unter http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/176142/herero-aufstand (abgerufen am 25.06.2015)

Bundeszentrale für politische Bildung (20.03.2015): „Namibia feiert seine Unabhängigkeit“, unter http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/203118/namibia-feiert-seine-unabhaengigkeit (abgerufen am 25.06.2015)

Detsch, Roland: „Kolonialismus und Imperialismus“ unter http://www.cpw-online.de/kids/kolonialismus_und_imperialismus.htm (abgerufen am 21.05.2015)

Harjes Christine (13.08.2010): Afrikas steiniger Weg in die Unabhängigkeit, unter http://www.bpb.de/internationales/afrika/afrika/58874/afrikas-steiniger-weg (abgerufen am 15.06.2015)

Hilt, Kerstin (16.04.2014): „Deutsche Kolonien“, unter http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/preussen/deutsche_kolonien/ (abgerufen am 21.05.2015)

Mair, Stefan (21.05.2005): „Ausbreitung des Kolonialismus“, unter http://www.bpb.de/internationales/afrika/afrika/58868/kolonialismus (abgerufen am 30.04.2015)

Reed-Anderson, Paulette (21.05.2005): „Chronologie deutscher Kolonien“, unter

http://www.bpb.de/internationales/afrika/afrika/58869/chronologie-deutscher-kolonien

(abgerufen am 25.06.2015)

Schürmann, Felix: „Deutscher Kolonialismus“, unter:

http://baustein.dgb-bwt.de/C3/DeutscherKolonialismus.html (abgerufen am 25.05.2015)

Van Dijk, Lutz: Die Geschichte Afrikas. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2015

Zimmerer, Jürgen (23.10.2012): „Expansion und Herrschaft: Geschichte des europäischen und deutschen Kolonialismus“, unter  http://www.bpb.de/apuz/146973/geschichte-des-europaeischen-und-deutschen-kolonialismus (abgerufen am 25.05.2015)